Ressort: WirtschaftURL: /wirtschaft/artikel/565/170070/Datum und Zeit: 21.04.2008 - 07:04
Deutsche Unternehmen und China, mehr als Geschäfte. BASF-Chef Hambrechts Botschaft zur Kritik an den chinesischen Menschenrechtsverletzungen ist peinlich und schadet dem Ruf der deutschen Wirtschaft. Warum Wegsehen im Fall China für Unternehmen keine Option sein darf.
Ein Kommentar von Andreas Oldag
Die Bundesregierung soll sich mit ihrer Kritik an China zurückhalten, um deutschen Unternehmen im Ausland nicht zu schaden, meint BASF-Chef Hambrecht. So deutlich wie Jürgen Hambrecht traut es sich kaum ein Wirtschaftsführer dieser Tage zu formulieren. Aber hinter vorgehaltener Hand teilt so mancher Manager oder Unternehmer die Meinung, die der BASF-Chef und Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft in dieser Woche zum Besten gab.
Die Bundesregierung möge sich bitte mit ihrer Kritik an China zurückhalten, weil sie damit den Interessen deutscher Unternehmen im Ausland schade, lautete Hambrechts Ansage. Man möge die Sache mit den Menschenrechten doch lieber den Geschäftsleuten überlassen, die solche Themen viel effektiver im täglichen Miteinander mit den Chinesen ansprechen würden.
Diese Botschaft ist peinlich - und sie schadet dem Ruf der deutschen Wirtschaft. Es ist nicht das erste Mal, dass Unternehmer und Manager meinen, beim Thema Markt, Geld und Moral mit einseitigem Maß messen zu können. Auch wenn es um flagrante Verletzungen demokratischer Rechte in Russland und Iran geht, scheint Ruhe erste Bürgerpflicht zu sein, um den schnöden Mammon nicht zu gefährden.
Doch welche Art von Zurückhaltung ist gemeint? Angesichts der jahrzehntelangen Besetzung Tibets und der Unterdrückung seiner Bevölkerung ist der weltweite Protest gegen die Olympia-Inszenierung Pekings eine ziemlich moderate Bewegung. Respekt und Verständnis, die Manager wie Hambrecht jetzt gegenüber China einfordern, haben vor allem die Tibeter verdient, aber auch die Menschenrechtskämpfer im Lande, die das Regime brutal abstraft.
Und die angeblich effizientere Diplomatie hinter verschlossenen Türen hat bislang vor allem gezeigt: China schert sich nicht darum. Pekings Machthaber üben sich in Kraftmeierei, während der Westen katzbuckelt.
Egoismus und Abendessen
Gewiss geht es für deutsche Unternehmen ums Geld. Es geht um Autos, Kraftwerke, Schiffsdieselmotoren und Hochgeschwindigkeitszüge. Alles Produkte "Made in Germany", die bei Maos Erben begehrt sind und die Arbeitsplätze in Deutschland sichern.
Das hat zunächst wenig mit Moral zu tun und mehr mit Profit. Die Funktionsweise des Marktes bestimmt in erster Linie über den Austausch von Waren und nicht menschliche Sentimentalität. In seinem Werk über den Wohlstand der Nationen hat der britische Ökonom Adam Smith bereits im 18. Jahrhundert analysiert: "Es ist nicht das Wohlwollen des Metzgers, des Brauers oder des Bäckers, von dem wir unser Abendessen erwarten, sondern die Verfolgung ihrer egoistischen Interessen."
Kann der moderne Kapitalismus westlicher Prägung also nur moralentleert stattfinden? Wohl kaum. Auch Smith hat nicht den gewissenlosen Halunken im Kopf gehabt, sondern den "ehrbaren Kaufmann". Dieser kümmert sich zwar vorrangig um die Mehrung seines Wohlstands, muss aber auch um seine Reputation bemüht sein. Die Geschichte zeigt allerdings, dass zwischen dem wirtschaftlich Machbaren und dem moralisch noch Vertretbaren nur ein feiner Grat ist. Die Verlockung, das schnelle Geld zu machen, ist häufig allzu groß. Deshalb haben Unternehmen immer wieder exzellente Geschäftsbeziehungen zu Diktaturen gepflegt.
Helfer im "Blitzkrieg"
Die US-Autokonzerne Ford und General Motors (GM) arrangierten sich in den 30er Jahren mit den Aufrüstungsplänen Hitlers. "Wer bleibt, gewinnt", hieß das Motto. 1935 produzierte die GM-Tochter Opel Militärlastwagen, die später im "Blitzkrieg" eingesetzt wurden.
Der bekennende Antisemit Henry Ford zählte zu den Bewunderern des deutschen Diktators. Der Ölkonzern Standard Oil lieferte das Antiklopfmittel Tetraethylblei, ein wichtiger Benzinzusatz. Berüchtigt waren die Verwicklungen des weltweit größten Diamantenproduzenten De Beers mit dem ehemaligen südafrikanischen Apartheid-Regime. Die Edelsteine wurden zum Symbol gewissenloser Ausbeutung der schwarzen Minenarbeiter und einem sagenhaften Reichtum der Unternehmerfamilie Oppenheimer.
Sicherlich ist es überzogen, von der Wirtschaft zu verlangen, als Motor eines Systemwechsels in undemokratischen Staaten zu dienen. Unternehmen können nicht Stellvertreter der Politik sein. So liegen jene Politiker falsch, die denken, dass ein intensiverer Handelsaustausch allein hilft, autokratische Regime zu zähmen.
Umgekehrt ist hartes Eingreifen zum Beispiel durch Wirtschaftssanktionen häufig auch nur der Ausdruck hilfloser Politik. Die Erfahrung zeigt, dass die Strafmaßnahmen von den Adressatenstaaten trickreich umgangen werden. Opfer ist meistens die Bevölkerung, die mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hat. Im Fall China kann auch niemand an einem Handelskrieg interessiert sein. Ein Großteil der im Westen verkauften Produkte stammt aus China, es ist unrealistisch anzunehmen, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen entflechten ließen.
Doch dies heißt nicht, dass der ehrbare Kaufmann seine Moral ohne Wenn und Aber verkaufen darf. In einer freiheitlichen Gesellschaft sind Markt und Moral keine unabhängigen Paralleluniversen. Sie gehören zusammen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mutig genug, Menschenrechtsverletzungen offen anzusprechen. Das sollten deutsche Unternehmer respektieren und nicht durch Anbiederung an Peking unterlaufen. So rasch wie befürchtet werden die kühl kalkulierenden Chinesen keinen Auftrag stornieren.
(SZ vom 19.04.2008/jkr)
Monday, April 21, 2008
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